Sophie spürte sofort, dass etwas nicht stimmte, als sie die Schwelle des Restaurants betrat. Es war ungewöhnlich leer für einen Freitagabend, das Licht war zu gedämpft, und der Oberkellner lächelte auffällig bemüht. Paul hingegen wirkte wie immer – nur seine Finger, die auf einmal merklich zitterten, verrieten seine Nervosität, während er ihre Hand hielt.
„Ihr Tisch“, sagte Paul und schob den Stuhl zurück. Sophie erstarrte, als sie den kleinen VIP-Raum betrat. Hunderte Kerzen flackerten im Halbdunkel und warfen bizarre Schatten auf die schneeweiße Tischdecke. In der Mitte thronte eine Vase mit dunkelroten Rosen – ihren Lieblingsblumen. Leise klang Musik durch den Raum.
„Paul“, flüsterte Sophie, „was ist hier los?“
Statt einer Antwort schwang er sich auf ein Knie. In seinen zitternden Händen blitzte ein Ring.
„Sophie“, sagte er feierlich, „ich habe lange überlegt, wie ich diesen Moment besonders machen kann. Aber dann habe ich verstanden – es ist nicht wichtig, wo oder wie. Wichtig ist nur eins: Willst du meine Frau werden?“
Sie sah sein aufgeregtes Gesicht, die widerspenstige Strähne, die ihm in die Stirn fiel, sein zaghaftes Lächeln – und spürte, wie eine unsagbare Leichtigkeit ihr Herz erfüllte.
„Ja“, hauchte sie. „Natürlich, ja!“
Der Ring glitt über ihren Finger. Sophie lehnte sich an Paul, atmete den vertrauten Duft seines Aftershaves ein und dachte: Das ist es. Glück. Einfach und klar wie ein sonniger Tag.
Doch schon eine Woche später bekam ihre Harmonie den ersten Riss.
„Wie meint ihr – selbst organisieren?“, empörte sich Barbara, während sie nervös ihre perfekte Frische richtete. „Nein, das geht nicht! Eine Hochzeit ist eine ernste Sache, da braucht man Erfahrung, weibliche Klugheit. Ich habe bereits ein wunderschönes Restaurant ausgesucht…“
„Mama“, unterbrach Paul sie sanft, „wir danken dir für deine Hilfe, aber wir wollen es allein machen.“
„Allein?“ Barbara warf die Hände hoch. „Was versteht ihr denn schon? Meine Nichte Christina, die hatte…“
Sophie beobachtete schweigend, wie ihre künftige Schwiegermutter durch die Gästewohnung schritt. Barbara redete ohne Punkt und Komma – über Traditionen, Anstand, darüber, wie wichtig es sei, „sich nicht zu blamieren“. Dabei warf sie immer wieder prüfende Blicke um sich, als würde sie im Kopf schon Umbauten planen.
„Mama“, versuchte Paul erneut einzugreifen, „wir haben bereits ein Restaurant ausgewählt. Die ,Weiße Rose‘, kennst du es?“
Barbara verzog das Gesicht, als hörte sie jemanden mit Kreide über eine Tafel kratzen.
„Die ,Weiße Rose‘? Dieses moderne Ding? Nein, nur das ,Residenz‘! Die Kronleuchter dort, das Service! Und der Manager ist ein alter Bekannter von mir…“
„Mama“, klang es jetzt scharf aus Pauls Stimme, „wir zahlen die Hochzeit selbst. Und wir feiern dort, wo wir wollen.“
Barbara verstummte mitten im Satz. Sie presste die Lippen zusammen, hob das Kinn: „Na gut, wie ihr meint. Aber sagt später nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.“
Sie ging, hinterließ eine Spur teuren Parfüms und das Gefühl einer nahenden Gewitterwolke.
„Entschuldige“, lächelte Paul entschuldigend und schloss Sophie in die Arme. „Sie neigt manchmal… dazu, sich einzumischen.“
Sophie schwieg. Eine innere Stimme raunte ihr zu: Das ist erst der Anfang.
Und so kam es.
Die folgenden Wochen wurden zu einer endlosen Abfolge von Streit, Andeutungen und versteckten Vorwürfen. Barbara fand an allem etwas auszusetzen – von den Blumenarrangements bis zur Tischordnung.
„Rosa Pfingstrosen?“, fragte sie ungläubig. „Im September?“
„Nein, nur weiße Callas! Und die Blumenwand muss anders, feierter. Und die Musiker… Um Himmels willen, wollt ihr ernsthaft diese Amateurgruppe? Ich kenne ein fantastisches Quartett aus der Musikhochschule…“
Sophie hielt sich mit letzter Kraft zurück. Nur die AugDie Unterstützung ihrer Mutter, der ruhigen und besonnenen Helga, war ihr einziger Trost in diesen stürmischen Wochen.
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