**Tagebucheintrag**

Das Schicksal schenkte mir einen Sohn… Eines Tages gab ich einem obdachlosen Jungen eine Chance, und heute ist er Student!

Mein Leben veränderte sich an einem kalten Herbstabend.

Ich kam von einem langen Arbeitstag nach Hause. Der Wind schnitt durch die Knochen, die Stadt wirkte wie ausgestorben – nur vereinzelte Passanten hasteten mit hochgezogenen Kragen vorbei.

Als ich in meine Straße einbog, trat plötzlich eine hagere Gestalt aus dem Schatten.

Vor mir stand ein Junge – dünn, in einem dünnen Hemd, mit zitternden Händen, die ein Messer umklammerten. Ich wusste nicht, ob er vor Kälte oder vor Angst bebte.

»Gib mir deine Brieftasche«, stieß er mit rauer Stimme hervor.

Ruhig holte ich mein Portemonnaie heraus und reichte es ihm. Dann zögerte ich einen Augenblick, zog meinen Mantel aus und gab ihm auch den.

Er wich zurück und starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an.

»Warum tust du das?«

Ich lächelte:

»Weil, wenn du so weit gekommen bist, es wohl keinen anderen Ausweg für dich gab.«

Plötzlich brach er in Tränen aus. Im Licht der Straßenlaterne sah ich sein Gesicht deutlich – es war ein Kind. Er mochte kaum fünfzehn sein, auch wenn er fast so groß war wie ich.

Ich schlug vor, mit zu mir zu kommen, um Tee zu trinken.

Er zögerte, unsicher, ob er mir trauen konnte. Doch schließlich nahm er an.

Ich lebte allein… doch in dieser Nacht änderte sich alles.

Zu Hause war es warm. Ich machte Tee und setzte ihn an den Tisch.

Er schaute sich neugierig um. Als sein Blick auf mein Bücherregal fiel, erstarrte er.

»Du hast viele Bücher«, bemerkte er.

»Ja.«

»Hast du alle gelesen?«

»Natürlich.«

»Ich hab noch nie ein Buch gelesen«, gestand er ohne Scham, nur mit einem traurigen Unterton.

Langsam öffnete er sich. Er erzählte von seiner armen Familie, vom Tod seiner Mutter, vom Kinderheim, aus dem er floh. Seitdem lebte er auf der Straße. Er lernte zu stehlen, zu überleben.

Sein Vater? Darauf senkte er nur den Kopf und schwieg.

Ich sah ihn an und wusste: Er war nur ein Kind. Verlassen, von niemandem gewollt. Das Leben hatte ihm keine Chance gegeben – doch wenn niemand die Hand ausstreckt, geht er einfach unter.

»Bleib hier. Zumindest für heute Nacht«, schlug ich vor.

Er musterte mich misstrauisch, doch er willigte ein.

Ich nahm ihn auf, als wäre er mein eigener Sohn.

Diese Nacht schlief ich kaum. Gedanken kreisten: Was wird aus ihm? Wohin geht er morgen?

Doch am nächsten Morgen war mir klar: Ich würde ihn nicht gehen lassen.

»Willst du versuchen, neu anzufangen?«, fragte ich beim Frühstück.

Er zuckte mit den Schultern.

»Hab eh nichts zu verlieren.«

So blieb er.

Ich half ihm, seine Papiere zu besorgen, schrieb ihn in der Schule ein. Am Anfang war es schwer – er hatte seit der vierten Klasse keine Bildung mehr genossen. Aber er gab sich Mühe. Die Lehrer zweifelten erst, doch nach einigen Monaten sahen sie sein Potenzial.

Ich brachte ihm bei, was ich selbst wusste. Half bei den Hausaufgaben. Erklärte ihm, dass Stehlen kein Weg ist, dass man im Leben viel erreichen kann, wenn man sich anstrengt.

Er hatte einen unbändigen Wissensdurst! Er las alles, was ihm in die Hände fiel. Manchmal saß er bis spät in der Nacht über den Büchern.

Ich war stolz auf ihn.

Heute ist er Student!

Einige Jahre sind vergangen.

Jetzt studiert Timo. Er arbeitet, zahlt sein Studium selbst – will mir nicht zur Last fallen.

Ich weiß, dass ihm eine gute Zukunft bevorsteht. Er wird Arbeit finden, eine Familie gründen.

Er ist nicht mehr der durchgefrorene Junge mit dem Messer.

Er ist mein Sohn.

Ja, offiziell stehe ich nicht in seinen Papieren. Doch das ist egal. Wichtig ist, wenn er mich anspricht, sagt er:

»Papa…«

Und das ist das Wertvollste, was ich habe.

**Was ich heute lernte:** Manchmal reicht eine einzige entschlossene Tat, um ein Leben für immer zu verändern.


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