**Funken der Vergeltung in einem stillen Haus**

Die Dämmerung senkt sich langsam über das kleine Städtchen Büdingen und taucht die Straßen in sanfte graublaue Töne. Markus kommt müde, aber zufrieden von der Arbeit nach Hause. In der Diele wird er von seiner Frau, Lieselotte, mit einem warmen Lächeln und dem Duft frisch gebratener Frikadellen empfangen.

„Hallo, willst du zu Abend essen? Die Frikadellen sind noch warm“, sagt sie und richtet sich die Schürze.

„Natürlich“, antwortet Markus und zieht die Schuhe aus. Er nimmt einen Schlüsselbund aus der Tasche und wirft ihn achtlos auf die Kommode.

Lieselotte bemerkt einen fremden Schlüssel und fragt mit zusammengekniffenen Augen:

„Woher ist der?“

„Mutter ist für drei Wochen im Kurort“, erklärt Markus und streckt sich. „Sie wollte, dass wir auf ihre Wohnung aufpassen, hat mir die Schlüssel gegeben.“

Plötzlich beginnt Lieselottes Blick zu funkeln – verschmitzt, fast raubtierhaft. Sie klatscht in die Hände und ruft:

„Endlich! Jetzt werde ich es ihr zeigen!“

Markus erstarrt und versteht nicht, was vor sich geht. Seine sonst so ruhige Frau sieht aus, als ob sie etwas Großes plant.

„Wovon redest du? Was willst du zeigen?“, fragt er und spürt eine leichte Gänsehaut.

Lieselotte lächelt nur geheimnisvoll, aber in ihrem Blick liegt eine solche Entschlossenheit, dass Markus ein Schauer über den Rücken läuft.

Vor einigen Wochen hatte sich ihr Leben auf den Kopf gestellt. Nach einem Besuch bei Lieselottes Eltern kamen sie nach Hause und fanden ihre Wohnung unkenntlich wieder. Die Tapeten im Flur, die sie so sorgfältig ausgesucht hatten, waren durch knallorange Blumenmuster ersetzt. Die Möbel im Wohnzimmer und Schlafzimmer standen völlig falsch: Der Schrank ragte mitten im Raum, und das Bett war zum Fenster gedreht, was jegliche Gemütlichkeit zerstörte.

„Was ist das?!“, stößt Lieselotte hervor, als sie ihre Tasche fallen lässt.

Markus schaut über ihre Schulter und versucht, das Ausmaß zu begreifen. Sein Herz zieht sich vor Ärger zusammen.

„Wer hat das gemacht?!“, zittert Lieselottes Stimme vor Wut. „Das ist nicht unser Zuhause!“

„Beruhige dich“, sagt Markus und legt ihr eine Hand auf die Schulter. „Lass uns das klären.“

Doch je mehr sie durch die Wohnung gehen, desto größer wird ihr Zorn. Im Wohnzimmer steht das Sofa am Fenster, der Fernseher in der Ecke. Im Schlafzimmer klebt der Kleiderschrank an der Wand, wo früher der Spiegel hing. Das Chaos ist offensichtlich – und die Schuldige auch: Markus‘ Mutter, Hildegard.

Vor einem Monat hatte Hildegard in ihrer Wohnung eine „Überprüfung“ durchgeführt. Sofort begann sie, alles zu kritisieren – die Tapeten, die Möbelstellung, alles.

„Diese Tapeten sind so blass, wie im Krankenhaus!“, verkündete sie und schüttelte den Kopf. „Ihr braucht was Lebendiges, damit es fröhlicher wird!“

„Uns gefällt’s“, antwortete Lieselotte kühl.

„Nein, so geht das nicht! Da bekommt man ja Depressionen“, fuhr die Schwiegermutter fort. „Und die Möbel sind falsch! Der Schrank gehört in die Ecke, nicht mitten in den Raum! Und das Bett steht völlig verkehrt.“

Lieselotte wollte widersprechen, doch Markus‘ Blick hielt sie zurück. Er wusste: Mit seiner Mutter zu diskutieren war zwecklos. Schließlich ging Hildegard, hinterließ aber eine bedrückende Stimmung.

Dann mussten sie zu einer Hochzeit im Familienkreis fahren. Ihr Kater, Mio, konnte nicht allein bleiben, und Markus schlug vor, seine Mutter um Hilfe zu bitten. Lieselotte sträubte sich:

„Willst du ihr wirklich die Schlüssel geben? Sie wird wieder alles bestimmen!“

Doch es gab keine Alternative. Widerwillig stimmte Lieselotte zu und erklärte genau, wie man sich um Mio kümmern sollte. Jeden Tag rief sie an, um nach dem Rechten zu sehen. Hildegard antwortete knapp: „Alles in Ordnung“ – und legte schnell auf. Das hätte sie stutzig machen sollen.

Bei ihrer Rückkehr wurde klar: Die Schwiegermutter hatte nicht nur auf den Kater aufgepasst. Sie hatte in ihrer Wohnung eine komplette Umgestaltung durchgeführt.

„Was machen wir jetzt?“, fragte Lieselotte erschöpft und betrachtete die fremden Tapeten und umgestellten Möbel.

„Wir stellen alles zurück“, seufzte Markus. „Das kostet Zeit und Geld. Ich rufe Mutter an und kläre das.“

Lieselotte wischte sich eine Träne weg. Plötzlich huschte ein verschmitztes Lächeln über ihr Gesicht.

„Nein“, sagte sie entschieden. „Ich habe eine bessere Idee. Fährt deine Mutter nicht bald in den Kurort?“

Markus nickte, ohne zu verstehen, worauf sie hinauswollte. Lieselotte zwinkerte nur.

Als Hildegard abreiste und die Schlüssel dagelassen hatte, strahlte Lieselotte vor Vorfreude.

„Endlich werde ich es ihr zeigen!“, rief sie triumphierend und ließ die Schlüssel klimpern.

Markus, obwohl skeptisch, stimmte zu, seine Frau zu unterstützen.

Drei Wochen lang besuchten sie an den Wochenenden heimlich Hildegards Wohnung. Während sie sich erholte, veränderte sich ihr Zuhause. Lieselotte klebte mit Freude neue Tapeten auf – blassblau mit zartem Muster, das genaue Gegenteil von Hildegards grellen Vorlieben. Markus rückte die Möbel zurecht: Der Schrank wanderte in den Flur, die Regale im Wohnzimmer wurden ausgetauscht. Sogar ein paar dekorative Kissen kamen hinzu – „für mehr Gemütlichkeit“.

Als Hildegard zurückkehrte, blieb sie wie angewurzelt stehen.

„Was habt ihr getan?!“, schrie sie ins Telefon. „Wo sind meine geliebten Tapeten? Wer hat euch erlaubt, sie zu ändern?!“

Markus antwortete ruhig:

„Wir dachten, du brauchst eine ruhige Atmosphäre. In deinem Alter sind grelle Farben ungesund.“

„Ist das ein Witz?!“, empörte sich Hildegard. „Ihr hattet kein Recht dazu! Stellt alles sofort zurück!“

„Und warum dachtest du, dass uns deine Änderungen in unserer Wohnung gefallen würden?“, konterte Markus scharf.

Stille am anderen Ende der Leitung.

„Das ist was anderes!“, presste Hildegard schließlich hervor. „Ich wollte nur das Beste!“

„Unser Zuhause, unsere Regeln“, sagte Markus bestimmt. „Wenn du nicht willst, dass dein Bücherschrank auf dem Flur landet, misch dich nicht mehr in unser Leben ein.“

Die Schwiegermutter schwieg. Dieses Gespräch war ihre Lektion. Seitdem hielt sie sich aus ihren Angelegenheiten heraus. Und Lieselotte fühlte endlich: Ihr Zuhause gehörte wieder nur ihnen.

**Lehre für mich:** Manchmal muss man Grenzen setzen – nicht mit Worten, sondern mit Taten. Wer in das Nest anderer greift, darf sich nicht wundern, wenn die Vögel zurückschlagen.


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