Vor etwa drei oder vier Jahren hat meine Mutter über das Internet Tante Monika kennengelernt. Ihre erste Auseinandersetzung fand unter einem Rezept-Post statt.
Mutter war fest überzeugt, dass man Zwiebeln und Karotten für die Suppe sofort und zusammen anbraten muss, während Tante Monika darauf bestand, zuerst die Karotten in die Pfanne zu werfen und die Zwiebeln fünf Minuten später hinzuzufügen. Es war die erste Internetstreiterei von Mutti.
Wie sie sich trotz ihrer unterschiedlichen Bratmethoden versöhnt haben, bleibt ein Rätsel, aber das Geschreibsel zwischen ihnen nahm seinen Lauf und dauerte eine ganze Weile.
Tante Monika wurde fast ein Online-Familienmitglied: Sie war immer auf dem neuesten Stand unseres Lebens und gab Ratschläge.
Zu Feiertagen hat sie sogar Geschenke geschickt: eine warme Decke, Preiselbeermarmelade und einen Schraubendrehersatz, nachdem Mutti ihr einmal gestanden hatte, dass sie nicht mal einen Schraubendreher im Haus hat. Auch die Gegengeschenke ließen nicht lange auf sich warten: wollene Socken, ein Gürtel aus Schafswolle und Gläser mit eingelegten Pilzen.
Anfang Dezember feierte Tante Monika ihren sechzigsten Geburtstag. Mutter bekam eine Einladung und einen Betrag für das Zugticket.
„Nein, ich kann doch nicht fahren! Wie soll ich, die alte Schachtel, dahin reisen und mich blamieren?“ – Mutter durchstreifte die Wohnung, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch zu reisen und daheim zu bleiben.
Ich beschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen: Ein neues Wintermantel wurde gekauft und eine Studienfreundin, die von der anspruchsvollen Chirurgenlaufbahn in den Frisörsalon gewechselt war, verhalf Mutters Haar zu einem neuen Look. Außerdem besorgten wir ein Geschenk: Ohrringe mit großen Steinen.
Damit meine Mutter nicht auf die Idee kam, ihre Entscheidung zu überdenken, fuhr ich sie persönlich zum Bahnhof und setzte sie in den Zug. Als der Zug sich schließlich in Bewegung setzte, atmete ich erleichtert auf: Sie sollte einfach mal rauskommen. In den letzten zehn Jahren, seit Papa gestorben war, hatte sie immer mehr an Lebensfreude verloren. Und als ich heiratete und zu meinem Mann zog, zerfiel sie völlig.
Der Anruf von Mutter, als sie ankam, kam prompt:
„Ein Mann hat mich abgeholt, anscheinend der Ehemann von Monika. Merkwürdig, sie hat nie erwähnt, dass sie verheiratet ist. Na ja, ich werde schon draufkommen. Macht’s euch nicht zu gemütlich! Ich bin bald zurück!“
Aber Mutter kam nicht zurück. Tante Monika stellte sich als 60-jähriger Manfred heraus. In Kombination mit dem unveränderlichen Nachnamen war das Geschlecht des Nutzers unklar. Onkel Manfred war von Mutters Foto fasziniert und hatte Angst, seine Geschlechtsidentität zu offenbaren. So schrieb er weiter, interessierte sich stets für Mutters Leben und machte die gleichen Geschenke.
Im Januar kamen sie in unsere Stadt, um die Mietangelegenheiten von Mutters Wohnung zu klären. An Mutters Ohren funkelten die Ohrringe, die wir ihr als Geschenk „für Tante Monika“ gekauft hatten.
„Kommt ihr zur Hochzeit?“ – fragte Mutter, dabei leicht errötend.
„Ja, wir kommen!“, versprach ich, ungläubig an meinen eigenen Ohren: Mutter lächelte ständig und sah äußerlich mindestens fünfzehn Jahre jünger aus.
Onkel Manfred gefiel mir und meinem Mann sehr gut. Auch unsere Tochter war total begeistert von ihrem neu gewonnenen Opa. Das Wichtigste jedoch: Mutter blühte in seiner Nähe richtig auf.
Sie heirateten. Ganz bescheiden. Onkel Manfred hatte keine eigene Familie: Er war 2006 verwitwet und hatte keine Kinder. So lebte er allein.
Ich bin überglücklich, dass sich zwei Einsamkeiten gefunden haben. Mögen sie glücklich sein. Das haben sie sich mehr als verdient!
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